Ich wurde gekündigt. Was nun?
Nach einer arbeitgeberseitigen Kündigung müssen Arbeitnehmer:innen eine Vielzahl von Schritten beachten, um ihre Rechte zu wahren, finanzielle Nachteile zu vermeiden und mögliche Ansprüche geltend zu machen.
Ich möchte Ihnen im Folgenden eine kleine Übersicht über wesentliche Handlungsschritte an die Hand geben.
Kündigungsschreiben überprüfen
Das Schreiben muss schriftlich vorliegen (§ 623 BGB). Das bedeutet, es muss eigenhändig von einer vom Unternehmen damit bevollmächtigten Person unterschrieben sein und muss Ihnen als Brief und nicht etwa als Email zugehen. Der Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung ist für die zu beachtenden Fristen entscheidend.
Sind Sie sich nicht sicher, ob die Person, die die Kündigung unterschrieben hat, auch wirklich dazu berechtigt war? In diesem Fall weisen Sie die Kündigung unbedingt unverzüglich und nachweisbar zurück.
Wird eine arbeitgeberseitige Kündigung durch einen Vertreter ausgesprochen, ohne dass dem Arbeitnehmer zugleich eine Originalvollmacht gemäß § 174 Satz 1 BGB vorgelegt wird, kann diese unverzüglich zurückgewiesen werden. Dabei ist die Entscheidung des BAG vom 08. Dezember 2011 – 6 AZR 354/10 zu beachten, nach der es grundsätzlich zu spät ist, wenn die Zurückweisung später als innerhalb einer Woche erklärt wird..
Keine vorschnellen Erklärungen abgeben oder Dokumente unterzeichnen
Keinesfalls sollten Sie ohne juristische Prüfung Aufhebungsverträge oder Abwicklungsvereinbarungen unterzeichnen. Werden Sie aufgefordert, etwas zu unterschreiben, achten Sie penibel darauf, dass Sie in der Tat nur den Empfang der Kündigung quittieren. Unterschreiben Sie am Besten kein „einverstanden“ oder irgendwelche Zusätze. Sind Sie unsicher – unterschreiben Sie nichts.
Fristen notieren und einhalten
Ganz wichtig ist die 3-Wochen-Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage gemäß § 4 KSchG. Geht die Klage nicht fristgerecht, innerhalb von 3 Wochen ab Zugang der Kündigung beim Arbeitsgericht ein, gilt die Kündigung grundsätzlich als wirksam (§ 7 KSchG). Auch wenn es gewisse Spezialkonstellationen gibt, in denen man auch später noch was machen kann – gehen Sie vorsichtshalber davon aus: Wer nicht innerhalb von drei Wochen klagt, der hat verloren!
Agentur für Arbeit informieren
Eine Meldung als arbeitssuchend muss gemäß § 38 SGB III grundsätzlich innerhalb von drei Tagen nach Kenntnis der Beendigung erfolgen. Wenn der Beendigungszeitpunkt noch weit entfernt liegt, muss die Meldung bei der Agentur für Arbeit jedenfalls spätestens drei Monate vor Beendigung erfolgen. Handeln Sie besser gleich, dann haben Sie auch rechtzeitig „etwas“ in der Hand. Vergessen Sie nicht, es ist wichtig, dass Sie Ihre Meldung und den Zeitpunkt auch beweisen können.
Arbeitslos melden und Arbeitslosengeld beantragen
Zum ersten Tag der Arbeitslosigkeit (also nach Ablauf der Kündigungsfrist) muss die Arbeitslosmeldung erfolgen. Gleichzeitig ist ein Antrag auf Arbeitslosengeld zu stellen.
Für Details rund um Ihre Rechte und Pflichten in Bezug auf das Arbeitslosengeld, sehen Sie sich z.B. auf der Website der Bundesagentur für Arbeit (am Besten gleich dort: Arbeitslos melden und Arbeitslosengeld beantragen) um.
Fachanwaltskanzlei für Arbeitsrecht aufsuchen
Denken Sie an die Fristen. Eine rechtliche Erstberatung sollte zeitnah erfolgen, um etwaige Erfolgsaussichten einer Kündigungsschutzklage oder Abfindungsmöglichkeiten zu bewerten. Suchen Sie sich daher am Besten gleich nach Zugang der Kündigung eine qualifizierte Rechtsvertretung. Denken Sie daran, es ist viel zu tun in wenig Zeit!
Sollten Sie Mitglied einer Gewerkschaft sein, wenden Sie sich unbedingt umgehend an diese. In der Regel beraten und vertreten die Gewerkschaften ihre Mitglieder in arbeitsrechtlichen Fragen durch entsprechende Beschäftigte. Damit bleibt das Gerichtsverfahren dann normalerweise für Sie kostenfrei.
Suchen Sie dagegen eigenständig eine Anwaltskanzlei auf, müssen Sie die geleistete Arbeit dort natürlich bezahlen.
Klage vor dem Arbeitsgericht erheben
Sofern gewünscht und – und nach qualifizierter Beratung – als sinnvoll betrachtet, ist innerhalb von drei Wochen die Kündigungsschutzklage beim zuständigen Arbeitsgericht zu erheben. Das können Sie notfalls auch ohne anwaltliche Unterstützung eigenverantwortlich machen. Sinnvoll ist die „Selbstvertretung“ vor allem dann, wenn Sie aus welchen Gründen auch immer „spät dran“ sind und eine anwaltliche Klageschrift nicht mehr innerhalb der Frist eingereicht werden kann oder wenn Sie zu gut verdienen, um ggf. Prozesskostenhilfe zu bekommen, sich die anwaltliche Vertretung aber dennoch nicht leisten können bzw. wollen.
Wenn Sie sich im Detail informieren wollen; die bayerische Arbeitsgerichtsbarkeit stellt Ihnen auf der Seite zur Rechtsantragstelle viele hilfreiche Informationen zur Verfügung.
Dokumente und Beweise sichern
Arbeitsvertrag, Gehaltsabrechnungen, relevante E-Mail-Korrespondenz, Zeugenkontakte und andere Beweismittel sollten gesichert werden. Es ist nicht unüblich, dass Gekündigte mit dem Zugang des Kündigungsschreibens auch den Zugang zum Dienstrechner verlieren. Allzuoft stellt sich dann heraus, dass alle wesentlichen Vertragsunterlagen oder andere wichtige Beweismittel nur auf den Systemen des Unternehmens liegen.
Es ist dann meist zeit- und kostenaufwendig, wieder an diese Unterlagen zu gelangen. Manches nützliche Dokument, ist dann auch gar nicht mehr zu bekommen.
Sichern Sie Ihre Dokumente also regelmäßig auf privaten Systemen. Arbeitsvertragsdokumente, Gehaltsabrechnungen und dergleichen können Sie auch sorglos unabhängig von ggf. bestehenden Geheimhaltungsverpflichtungen auf Ihren privaten Systemen speichern. Diese Dokumente sind ja für Sie gedacht und enthalten Ihre persönlichen Daten. Aus Eigeninteresse sollten Sie natürlich dennoch an Verschlüsselung denken und die Daten nicht etwa ungesichert frei zugänglich machen.
Arbeitsleistung erbringen oder Freistellung klären
Wurde keine Freistellung ausgesprochen, ist die Arbeitsleistung wie gewohnt weiter zu erbringen. Im Fall der Freistellung ist z.B. zu klären, ob diese widerruflich oder unwiderruflich erfolgt ist, ob sie wirksam ist und – wenn die Freistellung tatsächlich ausgesprochen wurde, natürlich auch wer wem was wie beweisen kann und muss.
Anspruch auf Arbeitsbescheinigung geltend machen
Das Unternehmen ist verpflichtet, Ihnen eine Arbeitsbescheinigung auszustellen (§ 312 SGB III ). Beachten Sie dabei aber: die Bundesagentur für Arbeit kann Bussgelder verhängen, wenn die Bescheinigung nicht kommt. Es ist daher meist sinnvoller, sich mit der BA abzustimmen, statt sich eigenständig mit dem Arbeitgeber über diese Bescheinigung zu streiten.
Zeugnis verlangen
Was leider die meisten Arbeitnehmer:innen nicht wissen: Der Anspruch auf ein qualifiziertes Zeugnis setzt voraus, dass ein solches verlangt worden ist (§ 109 Abs.1, Satz 2 GewO).
Wenn Sie also nur „mein Zeugnis“ verlangen und nicht nachweisbar dazu sagen, dass es ein qualifiziertes sein soll, kann das unangenehme Konsequenzen haben.
Achten Sie also unbedingt darauf, die Art von Zeugnis zu verlangen, die Sie auch tatsächlich benötigen. Lassen Sie sich im Zweifel lieber vorher qualifiziert beraten.
Wenn Sie mehr mehr zum Zeugnis wissen wollen, lesen Sie bitte hier weiter.
Offene Ansprüche prüfen und geltend machen
Resturlaub, Überstundenvergütung, Boni, Provisionen oder sonstige Entgeltbestandteile sollten geprüft und ggf. eingefordert werden. Vergessen Sie in keinem Fall zu prüfen, ob Sie ggf. Ansprüche aus der betrieblichen Altersversorgung haben und wie diese zu sichern sind.
Betriebsratsanhörung prüfen
Sofern ein Betriebsrat besteht, muss dieser vor Ausspruch der ordentlichen Kündigung gemäß § 102 BetrVG angehört worden sein. Bei Widerspruch kann ein Anspruch auf Weiterbeschäftigung bestehen. Entsprechendes gilt für Dienststellen mit Personalräten bzw. für kirchliche Einrichtungen, in denen Mitarbeitervertretungen (MAV) bestehen. Soweit ein solches Gremium also existiert, ist es gut, direkt Kontakt aufzunehmen und sich eine Kopie der Anhörung geben zu lassen.
Muss ich mich sofort nach der Kündigung um eine neue Arbeitsstelle bemühen?
Werden Beschäftigte gekündigt, stellt sich für viele die Frage, ob sie verpflichtet sind, sich sofort um eine neue Stelle zu bemühen, insbesondere dann, wenn sie vom Unternehmen freigestellt wurden. Die aktuelle Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat in dieser Frage nun Klarheit geschaffen,
Keine Pflicht zur Erwerbstätigkeit bei unwiderruflicher Freistellung
Nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 12. Februar 2025 (BAG, 12.2.2025 – 5 AZR 127/24) besteht für Arbeitnehmer:innen keine Pflicht, sich während einer unwiderruflichen Freistellung innerhalb der Kündigungsfrist um eine anderweitige Erwerbstätigkeit zu bemühen. Arbeitgeber schulden für diesen Zeitraum den vereinbarten Lohn, ohne dass es auf eine tatsächliche Arbeitsleistung oder eine etwaige Einkommensmöglichkeit der Beschäftigten ankommt. Eine Anrechnung fiktiven (also anderweitig theoretisch erzielbaren) Verdienstes scheidet in diesen Fallgestaltungen normalerweise aus.
Pflicht zur Erwerbsbemühung nach Ablauf der Kündigungsfrist
Anders stellt sich die Lage dann dar, wenn die Kündigungsfrist abgelaufen ist. Ab diesem Zeitpunkt trifft die Beschäftigten dann die Pflicht, sich um anderweitigen Verdienst zu bemühen. Diese Verpflichtung ergibt sich aus § 615 Satz 2 BGB bzw. § 11 Nr. 2 KSchG. Reichen die Eigenbemühungen um eine neuen Einkommenquelle nicht aus, droht eine Anrechnung des hypothetisch erzielbaren Einkommens auf den Betrag, den das Unternehmen ggf. bei erfolgreicher Kündigungsschutzklage nachzuzahlen hat.
Was bedeutet “böswilliges Unterlassen”?
Eine Anrechnung erfolgt allerdings nur dann, wenn die Betroffenen böswillig untätig geblieben sind. Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Entscheidung vom 15. Januar 2025 (BAG, 15.1.2025 – 5 AZR 135/24) ausgeführt, dass ein solches böswilliges Unterlassen voraussetzt hätte, dass die Arbeitnehmerin trotz Kenntnis zumutbarer Erwerbsmöglichkeiten vorsätzlich untätig geblieben wäre oder oder eine zumutbare Tätigkeit bewusst unterlassen / gar nicht erst gesucht habe. Das sogenannte „böswillige Unterlassen“ scheidet also aus, wenn die im Raum stehenden Beschäftigungsmöglichkeiten für die Betroffenen als unzumutbar betrachtet werden können.
Was nun wiederum als „unzumutbar“ betrachtet werden kann, ist im Einzelfall recht kompliziert zu beurteilen. Das BAG stellt die anzulegenden Kriterien für die Beurteilung, was „böswilliges Unterlassen“ und was „unzumutbare“ Arbeitsbedingungen sind, in der Entscheidung vom 15.01.25 unter den Randnummern 21 bis 33 sehr gut nachvollziehbar dar.
Demnach ist unter anderem zu prüfen, ob der betroffenen Person eine konkrete andere Tätigkeit zumutbar war, insbesondere im Hinblick auf Art, Vergütung, Umfang der Tätigkeit und Entfernung vom Wohnort. Auch die sozialrechtlichen Pflichten zur Arbeitsuchendmeldung (§ 38 SGB III) sind dabei mit zu berücksichtigen, dürfen jedoch nicht pauschal im „eins zu eins“ Maßstab angelegt werden.
Fazit
Zusammenfassend gilt: Eine Verpflichtung zur Erwerbstätigkeit besteht während einer unwiderruflichen Freistellung innerhalb der Kündigungsfrist grundsätzlich nicht. Erst nach Ablauf der Kündigungsfrist kann eine Erwerbsobliegenheit entstehen. Eine Anrechnung von hypothetischem Einkommen setzt jedoch stets böswilliges Unterlassen nachweislich zumutbarer Erwerbsmöglichkeiten voraus. Das bedeutet auch, dass es – je nach den Umständen des Einzelfalles – erforderlich sein kann, sich bereits in der laufenden Kündigungsfrist um anderweitigen Verdienst für die Zeit nach Ablauf dieser Frist zu bemühen. Für die freigestellten Beschäftigten bedeutet das in der Regel wohl durchaus eine Verpflichtung, sich schon innerhalb der Freistellung auf Stellen zu bewerben, die die Aufnahme einer neuen (zumutbaren!) Tätigkeit nach Ablauf der Kündigungsfrist möglich machen würden. Der Umfang solcher Bewerbungsbemühungen, der von Beschäftigten verlangt werden kann, die vom Unternehmen bis zum Ablauf der Kündigungsfrist noch weiter beansprucht werden, dürfte allerdings deutlich geringer sein, als der von vollständig von der Arbeitsleistung freigestellten Beschäftigten.
Auch der Erholungszweck von Urlaub, der ggf. noch in der Kündigungsfrist genommen wird, ist sicher bei der Beurteilung, wieviele Bewerbungen zu schreiben / ob und welche Bewerbungstermine wahrzunehmen sind, angemessen zu berücksichtigen. Das gilt auch und gerade, wenn der Urlaub nicht auf Wunsch der betroffenen Person, sondern „erzwungen“ vom Unternehmen innerhalb der Freistellung zustande kommt.
Betroffene Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind daher gut beraten, sich frühzeitig rechtlich im Detail beraten zu lassen, um böse Überraschungen beim Annahmeverzugslohn zu vermeiden.
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