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Arbeitszeugnisse: einfach oder qualifiziert, das ist hier die Frage

Der gesetzliche Anspruch von Arbeitnehmer:innen auf ein Zeugnis ergibt sich aus § 109 GewO. Dort wird zwischen einem einfachen und einem qualifizierten Zeugnis unterschieden. Ein einfaches Zeugnis umfasst nur die Art und die Dauer der Tätigkeit, ein qualifiziertes Zeugnis auch Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis.

Das Arbeitszeugnis mit Beurteilung, an das die meisten denken, wenn vom Zeugnis die Rede ist, ist also eigentlich der gesetzliche Ausnahmefall, der extra verlangt werden muss!

Passen Sie daher gut auf.

Einerseits müssen Sie das qualifizierte Arbeitszeugnis ausdrücklich verlangen, wenn Sie ein solches haben wollen. Andererseits verlangen Sie mit „Ich möchte mein Zeugnis“ dem Gesetzeswortlaut nach nur die Normalform, also das einfache Arbeitszeugnis. Hat Ihnen das Unternehmen dann diesen Wunsch erfüllt, kann es problematisch werden, überhaupt noch an ein qualifiziertes Zeugnis zu gelangen.

Lassen Sie sich daher im Zweifel lieber qualifiziert beraten, bevor Sie einen Fehler machen.

Anspruch auf wohlwollendes Zeugnis mit der Note “befriedigend”

Die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung geht davon aus, dass Beschäftigte grundsätzlich Anspruch auf ein wahrheitsgemäßes und zugleich wohlwollendes Zeugnis haben. Dieser Anspruch wird jedoch auch durch die Wahrheitspflicht des Unternehmens begrenzt.

Was ebenfalls viele überrascht:
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gilt eine Gesamtnote “befriedigend” (Note 3) als mittlere Bewertung, von der im Zweifel auszugehen ist:

  • BAG, Urt. v. 18.11.2014 – 9 AZR 584/13: Ein Arbeitnehmer, der eine bessere Beurteilung als “zur vollen Zufriedenheit” (Note 3) verlangt, muss die Tatsachen für eine überdurchschnittliche Leistung beweisen.
  • BAG, Urt. v. 14.10.2003 – 9 AZR 12/03: Der Arbeitgeber muss die Tatsachen für eine unterdurchschnittliche Bewertung darlegen und beweisen, wenn er schlechter als “zur vollen Zufriedenheit” bewertet.

Damit kann man festhalten – eine Bewertung mit der Note 3 (zur vollen Zufriedenheit) ist der von der Rechtsprechung angenommene Normalfall.

Wollen Sie eine bessere Zeugnisbewertung durchsetzen, müssen Sie in der Lage sein, gerichtsfest zu beweisen, dass Sie die bessere Note verdient haben. Bewertet das Unternehmen Sie unterdurchschnittlich, liegt die Beweislast beim Arbeitgeber, der Ihnen die schlechtere Note (Note 4 oder schlechter) gegeben hat.

Inhaltliche Anforderungen an das Zeugnis

Ein qualifiziertes Zeugnis muss wohlwollend formuliert sein, damit der berufliche Werdegang nicht ungerechtfertigt erschwert wird. Es muss in sich stimmig und klar formuliert sein (keine versteckten negativen Botschaften, sog. Zeugniscode). Es darf keine formalen Mängel enthalten (z. B. auf dem Unternehmensbriefpapier, kein handschriftliches Zeugnis, keine Rechtschreibfehler, kein unüblicher Zeilenabstand etc.). Das Zeugnis muss aber nicht nur bei den Tatsachen, sondern auch in der Bewertung grundsätzlich der Wahrheit entsprechen.

Ein Zeugnis, das die oben genannten Anforderungen nicht erfüllt, kann grundsätzlich vor dem Arbeitsgericht angegriffen werden.

Sinnvolles Vorgehen

Die Erfahrung zeigt, dass es kosten- und zeitaufwendig sein kann, das gewünschte Abschlusszeugnis zu erstreiten. Das gilt erst recht im Zusammenhang mit dem Rechtsstreit um eine Kündigung.

Daher ist es sinnvoll, bei jeder sich bietenden Gelegenheit ein Zwischenzeugnis zu erbitten. Solche Gelegenheiten sind jegliche berufliche Veränderungen, z.B. Änderungen im Aufgabenzuschnitt, insbesondere Beförderungen oder Änderungen im Arbeitsumfeld, wie z.B. anstehende Vorgesetztenwechsel. Versäumen Sie es auch nicht, sich ein Zwischenzeugnis ausstellen zu lassen, wenn Sie z.B. in Elternzeit gehen oder ein besonderes Projekt erfolgreich abgeschlossen haben.

Im bestehenden Arbeitsverhältnis sind die Verantwortlichen meist deutlich enthusiastischer in der Bewertung Ihrer Leistungen als in der Trennungsphase. ABER: an den früher erteilten guten oder gar sehr guten Beurteilungen muss sich das Unternehmen dann auch für das Abschlusszeugnis orientieren, es sei denn, es kann gerichtsfest beweisen, dass Sie seit dem guten Zeugnis in Ihren Leistungen und / oder Ihrem Verhalten deutlich nachgelassen haben.

Ein oder besser noch mehrere gute / sehr gute Zwischenzeugnisse sichern Ihnen in der Praxis also in der Regel die oben genannten Beweise, mit denen Sie das gute / sehr gute Endzeugnis durchsetzen können, wenn es darauf ankommt.

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